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1997 Chlodwig Poth
1999 Robert Gernhardt
2000 Gerhard Polt
2001 Harry Rowohlt
2002 Marie Marcks
2003 F.W. Bernstein
2004 Emil Steinberger
2005 Otto Waalkes
2006 Hans Traxler
2007 Ernst Kahl
2008 Biermösl Blosn
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Robert Gernhardt 1937 - 2006

30. Juni 2006

DIE NACHRICHT...

Heute, am 30. Juni 2006, hat uns ROBERT GERNHARDT für immer verlassen.

Es ist eine Erfahrung, die wohl viele Menschen machen müssen. Man weiß, dass ein geliebter und geschätzter Mensch sterben wird, man sieht ihn immer kleiner werden, leidet mit... Und wenn er dann tatsächlich geht, ist es, als wenn das Alles nicht gewesen wär - die Keule trifft. Und sie trifft ungeheuer schmerzhaft.

Wie werden wir ihn vermissen...

Demnächst mag die Zeit kommen, dass der Schreiber dieser Zeilen ein paar persönliche Erinnerungen beisteuert zu all den Artikeln und Berichten, die aktuell zu lesen & zu hören & zu sehen sind. Erinnerungen etwa an das "Streitgespräch" über "Letzte Worte", das wir 1999 bei der Verleihung des ELCH vor dem letzten Blatt des Horst Janssen führten, oben in der Ausstellungsetage des Alten Rathauses in Göttingen. Oder nach dem Tode seiner geliebten Mutter, ebenfalls hier in Göttingen; da war er geradezu beleidigt, daß sie nun doch noch vor ihm gehen musste (mit über 100 Jahren). Oder bei einem Gang zu Lichtenbergs Grab auf dem Bartholomäus-Friedhof - das fand er nun wieder richtig gut, dass die Stadt und die Lichtenberg-Gesellschaft sich ins Zeug gelegt hatten, "seinem" persönlichen Helden endlich ein wenig gepflegter die Ehre zu erweisen... Oder aber auch, als Göttingen seinen nun ja auch schon verstorbenen Freund F.K. Waechter 1980 fast aus der Stadt gewiesen hat, weil der - angeblich - Goethe & Schiller mit einem Denkmalsentwurf auf dem Göttinger Kunstmarkt beleidigt habe...
Gernhardt war mit Leib und Seele "Frankfurter", weil, da lebte er seit 1964.
Gernhardt war aber immer noch und immer wieder "Göttinger", weil er da seit 1946 lebte und prägende Erfahrungen machen durfte - das hat er konsequent auch belegt.

Schreiber dieses mag bis heute das Gedicht auf seine Mutter, neben gut 1000 anderen, am liebsten :

ZUM MUTTERTAG

Mama -
kein einziges Wort auf dieser Welt
das so viele Ma`s enthält
wie Mama.
Ja -
Kaktushecke hat mehr Ka`s
Braunbärbabies hat mehr Be`s
Erdbeerbecher hat mehr E`s
Schamhaaransatz hat mehr A`s -
Aber Ma`s ?
Koblenz hat keine Ma
München hat so gut wie keine Ma
Mannheim hat nur eine Ma
doch welche Stadt hat zwei Ma ?
Na ?
Göttingen
Ja !
Denn dort wohnt meine
Mama.


Schreiber dieser Zeilen weiß nicht, ob er das letzte Gedicht von RG, daß ihm zu Augen kam, wirklich mag. Doch, höre ich grade, er mag es, auch wenns ihm die Kehle zuschnürt.

VON VIEL ZU VIEL

Ich bin viel krank.
Ich lieg viel wach.
Ich hab viel Furcht.
Ich denk viel nach.

Tu nur viel klug !
Bringt nicht viel ein.
Warst einst viel groß.
Bist jetzt viel klein.

War einst viel Glück.
Ist jetzt viel Not.
Bist jetzt viel schwach.
Wirst bald viel tot.


So traurig kann ich den Text natürlich nicht enden lassen. Da muß jetzt noch was Gspaßiges her, wie Mit-Elch Gerd Polt es ausdrücken würde, und daher ist jetzt ein anderer Mit-Elch dran, nämlich Harry Rowohlt, der in einem eher unbekannten Text zum 60. Geburtstag von Robert ein paar Sachen geraderückte und den Kollegen aufs Menschlichste zurückholte. Gibt´s jetzt als Zugabe. Hat Harry bestimmt nichts dagegen. Aber Robert schon.

Rede auf Robert, frei gehalten
oder :
Wie R. Gernhardt mal in echt die Spucke wegblieb.

... und an der oberen Überschrift kann man bereits den gesamten Irrsinn der Rechtschreibreform ermessen : Eine Rede wird frei gehalten, damit nach danach freigehalten wird.
Lieber Zobel : Wenn Du diese Rede hörst, habe ich sie bereits aufgeschrieben.
Lieber Zobel : Wenn Du diese Rede liest, habe ich sie bereits gehalten.
Ich erinnere mich an unsere erste Begegnung, als wäre sie gestern gewesen, weil Du mich immer wieder an unsere erste Begegnung erinnerst, als wäre sie gestern gewesen. Ich soll nämlich - so um 1965, 1966 herum - statt einer Begrüßung zu Dir gesagt haben : "Na, Dir fällt ja ooch nischt mehr ein." - "Na warte", hast Du damals gedacht, "na warte", und seitdem, stelle ich mir so vor, denkst Du jeden Tag, wenn Dir doch was einfällt, an mich, also praktisch ständig.
Da fällt mir ein, wie Du Dich mal gegenüber Fritz Weigle beschwertest, Du, Robert, erwähntest ihn, Weigle, ständig in Deinen Werken, er, Weigle, Dich dagegen in seinen nie. Woraufhin Weigle sagte : "Du ahnst ja noch nichts von meinem Magnus Opus : DER ERWÄHNTE."
Oder wie wir mal muffig frühstückten, ich mit Messekater, Du mit Messegastgeber-Cafard. Du : "Ich verstehe nicht, wie man Tee ohne Milch trinken kann."
Ich : "Ich verstehe nicht, wie man Tee mit Milch trinken kann."
Du : "Aus dem Großen Sendesaal des Funkhauses in Hannover hörten Sie : die Frühstücksdiskussion."
(Diese Geschichte erzählte ich mal in Altenburg Sascha, dem dortigen Veranstalter einer Lesung, und der sagte schwer beeindruckt : "Eifrnubblbulle, und do wörtr bletzlich uff Sendung ?")
Oder wie Du Dich darüber beschwertest, daß ich immer so schaurig mit meinem Brief von Alfred Polgar angebe (Ich habe nämlich einen Brief von Alfred Polgar.): "Ja,ja,ja, Du hast einen Brief von Alfred Polgar. Das wissen wir allmählich, daß Du einen Brief von Alfred Polgar hast."
Ich : "Allerdings. Ich habe einen Brief von Alfred Polgar. Du hast keinen Brief von Alfred Polgar."
Du : "Meine hat alle der Russe."
(Oder wie wir Dich und Knallwise in Eurer Toskana besuchten, wo der PCI gerade bei den Kommunalwahlen 72% abgeräumt hatte. Du : "Da ist man nun dreimal vorm Russen abgehauen, und dann das.")
Oder wie Du mich (beim Frühstück, klar) fragtest : "Du kennst doch das Kloster Germerode ?"
Ich : "Nö."
Du : "Ich frage mich die ganze Zeit, ob das salisch, merowingisch, romanisch oder was ist."
Ich : "Du hast doch diese protzige Brockhaus-Enzyklopädie; schlag doch nach."
Du : "Das ist eine gute Idee. Ich schlag`s nach, und Du liest vor."
Ich (schräg gegenüber von GERMERODE das Stichwort GERNHARDT, ROBERT bemerkend) : "Jetzt hätte ich den ganzen Sums über GERMERODE vorlesen, "Na bitte, romanisch" sagen, den Band zuklappen und zurück ins Regal stellen sollen."
Du : "Das haben schon ganz andere versucht."


Schreiber dieser Zeilen gibt zu : Das ist ja nun wieder zu sehr Harry, und zu wenig Robert, oder umgekehrt. Jedenfalls dem Anlass nicht angemessen. Vermutlich. Ich ergänze daher.
Es war, als Robert im Krankenhaus lag wegen der Herzkasperleien, ich glaub, so in 2000. Er fand seine Krankenschwester (wie jeder Mann, der eine Krankenschwester sein eigen nennen darf) nett, und diese Schwester wars besonders, weil sie ihn bei der Einlieferung und nach einem Blick auf sein ärztliches Dossier verblüfft gefragt hatte : "Sie sind DICHTER ? Ich hatte hier noch nie einen DICHTER !" Nun war grad seiner neuer Gedichtband-Band "Im Glück und anderswo" rausgekommen, er fragte, ob ich ein "Lieblingsgedicht" habe, und ich hatte eins, weils es mir so vorkam wie ein Zen-Haiku, nur mit anderen Mitteln.

Schlafenszeit

Reck ich die Hand,
ist da ein Hund.
Streck ich den Fuß,
ist da ein Katz.
Dreh ich den Kopf,
ist da ein Du :
So hat ein jedes seinen Platz.


Anderntags telefonierten wir wieder; und er berichtete, die Schwester sei mit dem frischerworbenen Buch zu ihm marschiert und habe es sich signieren lassen.
Fand er gut. Dann habe er ihr das Gedicht vorgelesen. Fand sie nicht so gut. Warum ?
Robert,mit einem Hauch von ewig lächelnder, Gernhardtscher Traurigkeit : "Sie hat wohl ein Meerschweinchen."
(Und dann sprach er wieder von Dir, liebe Almut, der Liebe seines Lebens.
Schreiber dieses Blogs kann gar nicht sagen, wieviel Respekt und Hochachtung und tiefer Verbundenheit er für Dich in diesen Tagen empfindet. Und wie oft Robert - unter uns "Männern" A/M/F/F/H/M/K etc. gesagt und gezeigt hat : was wäre ich ohne diese wunderbare, traumhafte, unvergleichliche Frau... "Meine Frau.")


Lieber Robert, Göttingen wird Dich nicht vergessen.
Und wenn doch : dann werden wir, Deine vielen Göttinger Freunde, die Lebenden und die nicht mehr Lebenden, viel dagegen machen.

Hab Dank für Alles, und Alles Gute da oben. Und sei nicht wieder so frech zum Herrgott; es hat schon einen Grund gehabt, daß er Dich in seiner Nähe haben wollte !



Literatur :
Robert Gernhardt - Im Glück und anderswo, Fischer Verlag
Robert Gernhardt - Später Spagat, Fischer Verlag, noch nicht erschienen
Der Rabe 50, Haffmans Verlag, Sonderausgabe zum 60. Geburtstag
Gernhardts Göttingen, Satzwerk Verlag