Home Der Göttinger ELCH
Ausgezeichete Elche:
1997 Chlodwig Poth
1999 Robert Gernhardt
2000 Gerhard Polt
2001 Harry Rowohlt
2002 Marie Marcks
2003 F.W. Bernstein
2004 Emil Steinberger
2005 Otto Waalkes
2006 Hans Traxler
2007 Ernst Kahl
2008 Biermösl Blosn
2009 Helge Schneider
2010 Olli Dittrich
2011 Josef Hader
2012 Franziska Becker
2013 Michael Sowa
2014 Georg Schramm
2015 Rudi Hurzlmeier
2016 Max Goldt
2017 Gerhard Gläck
2018 Pit Knorr und Wiglaf Droste
2019 Gerhard Haderer
2021 Maren Kroymann
2022 Eugen Egner
2023 Rainald Grebe
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Elch-Initiator WP Fahrenberg
Jury-Mitglied Hilmar Beck
Jury-Mitglied Martin Sonntag
Jury-Mitglied Achim Frenz
Jury-Mitglied Antje Kunstmann
Jury-Mitglied Hans Zippert
Jury-Mitglied Peter Köhler
Jury-Mitglied Christoph Oppermann
Der Saal des Alten Rathauses zu Göttingen
Das Deutsche Theater zu Göttingen, Verleihung 2005
Die berühmten "Original Göttinger ELCH-Rahmsüppchen"

Der E L C H -
Kleine Geschichte des...

Der ELCH gebiert sich aus langjähriger Tradition...

Göttingen ist die Stadt des Georg Christoph Lichtenberg - und eben dieser kleinwüchsige, hochgeniale Buckel gilt nicht nur als Erfinder des Fotokopierers und Initiator der plus- und minus-Zeichen, sondern durch seine bis heute taufrisch gebliebenen Aphorismen als der Oheim aller deutschsprachigen Satire. Lichtenberg wurde allzeit von den Geistesheroen jedweder Couleur aufs Heftigste gepriesen; aber erst in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts fanden er und sein Werk auch Eingang ins bundesdeutsche Feuilleton und ins bildungsbürgerliche Bücherregal.

Lag es an Lichtenbergs gigantischer Ausstrahlung ? Jedenfalls entwickelte sich ebenfalls ab den 60ern die Provinz-Stadt Göttingen zu einer Art Mekka der Satiriker... Gernhardt lebte hier, Bernstein (vulgo : Prof. Fritz Weigle) lehrte hier, Max Goldt bediente in der Samen-Abteilung von Karstadt - die Liste liesse sich endlos fortsetzen. Was Wunder, dass Göttingen sich zunehmend mit satirischen Veranstaltungen, Ausstellungen, Theaterstücken etc. schmückte, und in Sachen Quantität und Qualität selbst an die Metropolen Frankfurt und Berlin heranrückte, sie zeitweise sogar überflügelte...

Als es 1987 an der Zeit war, das 25jährige Jubiläum der sog. Neuen Frankfurter Schule ausstellerisch zu befeiern, übernahm der Göttinger Kunsthistoriker WP Fahrenberg gern diese Aufgabe, die zu Praesentationen in 52 europäischen Städten führte (und u.a. auch den Brüdern und Schwestern in der damaligen DDR erstmals unzensierte West-Satire vor Augen führte; bald darauf entschlossen sich diese zu einer gewaltfreien Revolution, bei deren Groß-Veranstaltungen gern das Plakat der Ausstellung als Wandschmuck benutzt wurde.). Das Logo und das Plakat dieser Ausstellung wurden mithin in Frankfurt und Göttingen erdacht; Hans Traxler illustrierte kongenial einen Sinnspruch von F.W. Bernstein, den dieser wiederum schon 1963 erdacht hatte. (Vgl. dazu den sehr amüsanten Herstellungsbericht von Bernstein im Katalog zur Ausstellung, Göttingen 1987, S. 12ff.).

Der Spruch aber lautete :

Die schärfsten Kritiker der Elche
Waren früher selber welche.

Und ist inzwischen nach schier zahllosen Wiederholungen in Politiker-Reden, Printmedien, Funk und Fernsehen in den Sprachgebrauch der Deutschen übergegangen.

Aber zurück in die kleine Uni-Stadt Göttingen, wo man in den 90er Jahren sich gern für die eigene Vergangenheit loben wollte und in verschiedenen Gremien über einen zu gründenden Satire-Preis diskutierte. Zunächst erfolglos. Auch schreckte das Beispiel des Wilhelm-Busch-Museums in Hannover ab, das den Versuch gestartet hatte, einen "Deutschen Karikaturen-Preis" zu initiieren; dort hatte eine hochrangig besetzte, aber fachlich eher ahnungslose Jury einen Preisträger gekürt, dessen "Sieg-Werk" - wiederum in Göttingen - als ein bissel arg abgekupfert enttarnt wurde; die bundesdeutsche Presse geizte nicht mit Häme und Spott, der Preis wurde schnellstens wieder begraben.

Die Idee selbst blieb aber praesent. Und da begab es sich im Herbste des Jahres 1997, dass Satire-Altmeister Chlodwig Poth im Alten Rathaus zu Göttingen mit einer Retrospektive geehrt werden sollte - ausgerechnet jener Poth, der bis dato gradezu stiefmütterlich behandelt worden war, was ehrwürdige Preise anging (dies änderte sich später erheblich).

Längerer Diskussionen überdrüssig, beschlossen Fahrenberg und Hilmar Beck, der Leiter des Göttinger Kulturamts, Satire-Freund und -Kenner, angelegentlich selber einen Preis zu stiften; und der solle, schon weil es zu Göttingen passte wie Hummer zu Bratkartoffeln, schlicht "GÖTTINGER ELCH" heißen. (Die Namensfindung erfolgte with a little help from the friends Sabine Demir, Vera Ilse und Axel Schüler-Bredt). In Windeseile wurde eine massiv-silberne ELCH-Brosche beim Juwelier ORFEO in Auftrag gegeben und eine schwer-altdeutsche Urkunde aufgesetzt und gemalt; dazu kam als Sach-Preis ein Angebinde von 99 Dosen schwedischen ELCH-Fleisches (eine ironische Anspielung auf einen bekannten Literaturpreis, der mit ähnlichen Haufen Rotweins dotiert ist). Tete Böttger, Kunst-Verleger und Mäzen, ergänzte großherzig um einen Geldpreis in Höhe von 5.555.55 DM ("damit arme Satiriker auch mal Fünfe grade sein lassen können...").

Poth war begeistert. Die Presse hatte Futter. Die Kollegen vergingen vor Neid.

Der ELCH ward geboren...

Um illuminatischen Verschwörungstheorien Stoff zu geben, wurde die Anzahl der Jury-Mitglieder (zunächst) auf fünf festgesetzt. Zu Beck, Böttger und Fahrenberg kamen mit geringfügiger Verzögerung noch hinzu : Martin Sonntag, Leiter der CARICATURA in Kassel; Achim Frenz, Leiter des Museums für Komische Kunst Frankfurt am Main. In den ersten ELCH-Jahren wurde dieser feste Kern von gänzlich unabhängigen Szene-Afficionados jeweils durch den Vorjahres-Preisträger ergänzt; die "Alt-ELCHE" hatten und haben insgesamt kein Abstimmungsrecht, werden aber regelmäßig um Vorschläge und Anregungen gebeten, die auch gern und in Fülle gegeben werden.

2008 wurde die Jury umgebildet: Tete Böttger schied aus. Neu hinzu kamen Antje Kunstmann, nicht nur von Elchen hochgeschätzte Verlegerin aus München, Hans Zippert, ehemaliger Chefredakteur der "Titanic", Publizist und Kolumnist aus Oberursel sowie Peter Köhler, Journalist und Schriftsteller aus Göttingen, der im Sommer 2006 mit seiner in der taz erschienenen Satire auf den polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczyński, "Polens neue Kartoffel", eine deutsch-polnische Krise entfesselte. 2016 stieß schließlich Christoph Oppermann, ehemals einer der Macher des "Wilhelm-Busch-Preises" und nun stellvertretender Chefredakteur des Göttinger Tageblatt, zum Juroren-Rudel. Eine Änderung ganz anderer Art erfolgte 2017: trotz aller Liebe zu den traditionellen Dosensuppen beschloß man im angesagt vegan-frutarischen Zeitalter und im Zeichen von Vogelgrippe, Schweinepest, Massentierhaltung sowie der neu entdeckten "Seele der Tiere" deren zumindest zeitweilige Abschaffung als primäres Wildfutter.

Immer wieder wurde in der Vergangenheit und wird in der Gegenwart nach den Kriterien der "ELCH-Vergabe" gefragt. Nachzulesen sind diese in einfacher Form in den Statuten der ELCH-Jury : auszuzeichnen sei "ein Lebenswerk satirischer Provenienz" und/oder "eine satirische Multibegabung", das/die nachweislich erhebliche Spuren in unserer Gesellschaft und in unserem Alltag hinterlassen hat.

Von Fall zu Fall führt dies natürlich zu ausgiebigen, aber zumeist nicht sonderlich kontroversen Diskussionen...

Die ELCH-Juroren verstehen das Geschäft mit der Satire in allen ihren Ausprägungen zuallererst als "Handwerk" - erlernbar, verifizierbar und völlig ungebunden an den sogenannten "Geschmack" auch klar bewertbar. Die "handwerklichen" Fähigkeiten (und ggbf. auch ihre Überwindung) eines Kandidaten müssen außer Zweifel stehen, um ihn zum Kandidaten werden zu lassen. Kommen dann noch Innovation, gesellschaftliche Relevanz, Beständigkeit, Weiterentwicklung und schließlich "Genie" hinzu, hat der Adept sein Tier schon fast am Revers...

Dies in Kürzest-Fassung zu den Erwägungen, mit denen sich ELCH-Juroren ein ums andere Mal herumplagen müssen. Warum die bisherigen ELCHE zu solchen wurden, ist den ausführlichen Begründungen der jeweiligen Verleihungs-Urkunden zu entnehmen...

Sinn und Zweck des ELCH war und ist es, einen Blick in zukünftige Geschichtsbücher zu werfen : Der ELCH bemüht sich um die Beantwortung der alten Humanoiden-Frage :
Was wird bleiben ?
Als ganzes Kapitel, oder als beachtenswerte Fußnote...
Bei den Entscheidungen der Jury, so subjektiv sie vielleicht anmuten mögen, steht nicht der Zeitgeist Pate; nicht der Massengeschmack und nicht momentaner Erfolg sind die Parameter, nach denen die Jury ihre Urteile zu fällen bemüht ist -
sondern Können, Charakter und Wirkung.
Dennoch übernimmt die Jury keine Gewähr für die Richtigkeit ihrer Entscheidungen -
Aber wir arbeiten daran !

Betrüblicherweise entschloss sich WP Fahrenberg, der den ELCH maßgeblich mitprägte, im Sommer 2017, aus der Jury und dem ELCH-Geschehen zurückzuziehen. "20 Jahre wären genug, mögen sich nun Jüngere plagen." Und war bislang nicht umzustimmen ...

Das Gleichnis

Wie wenn da einer, und er hielte
Ein frühgereiftes Kind, das schielte,
hoch in den Himmel und er bäte :
"Du hörst jetzt auf den Namen Käthe !" -
Wär dieser nicht dem ELCH vergleichbar,
der tief im Sumpf und unerreichbar
nach Wurzeln, Halmen, Stauden sucht
und dabei stumm den Tag verflucht,
an dem er dieser Erde Licht...

Nein ? Nicht vergleichbar ? Na, dann nicht !

Robert Gernhardt, ELCH-Preisträger 1999