Gerhard Polt
Laudatio für Gerhard Haderer
Als unser Sohn in der Grundschule eine Art Milbe auf sein Zeichenblatt
malte und behauptete, das sei die Heilige Elisabeth, waren meine Frau und ich
doch verunsichert ob das den Zeichenlehrer überzeugen würde, denn
der Sprung von dieser heiligsten aller Heiligen zur Milbe schien uns doch
gewagt. Der Religionsunterricht hatte unseren Sohn aber allem Anschein nach
zu dieser Darstellung inspiriert. Der Zeichenlehrer hatte natürlich eine
andere Kreation erwartet, und obwohl nie ein Mensch diese "Wunderbare" jemals
zu Gesicht bekommen hat, haben ihr über die Jahrhunderte Maler, Zeichner
und Bildhauer aller Stilrichtungen von der Romanik über Gotik zum Barock
etcetera ein menschliches Aussehen verliehen. Und auch heute noch wirkt sie
postglobal. Nur als Milbe ist sie meines Wissens nach nie vorher in
Erscheinung getreten.
Dem Zeichenlehrer jedoch war es sichtlich peinlich, daß wir Eltern
mit einer solchen infantilen Genialität kein Problem hatten, denn die
Frage, -was erkenne ich als was - und - was bleibt mir verborgen -? ist mir
eigentlich schon eine Stufe zu hoch. Daß Menschen Abbilder einer
möglichen oder nur nebulösen Realität erschaffen, und diese
dann als überirdisch oder auch unterirdisch bewerten, mit diesem
Phänomen muß man umgehen lernen, obwohl es ziemlich vertrackt
ist.
Wenn im Zirkus ein Trapezkünstler in der Luft schwebt, dann ist
dieses Schweben für den Zuschauer gefühlt eine lange Zeit, und man
wird diese Zeit gewiß nicht mit einer Stoppuhr messen.
Wenn der Gerhard Haderer die Frau Merkel schweben läßt, dann
schwebt sie eben und sie schwebt, selbst wenn es eigentlich kaum vorstellbar
ist, daß diese respektabel gewichtige Frau schwebt. Haderers Zeichnung
zeigt wie sie schwebt, und durch das wie sieschwebt, hat mir die Kanzlerin zu
meiner Vorstellung von Realität verholfen. Weil diese Frau schwebt, ist
sie real und die Realität wäre kaum eine, wäre sie nicht
komisch. Ich frage mich, ist dann nicht die Komik und die Lächerlichkeit
die Norm, und das Seriöse nicht ein fauler Trick um der Realität zu
entkommen?
Der David in Florenz in Florenz ist ästhetisch, sagt man, - pico
bello. Aber mir ist er fad, weil unecht, starr und schön. Schöne
Menschen findet man beim Haderer eher nicht, aber echte, reale Ulrichs aller
Varianten und da die Gattung Mensch sich eh fürs Lächerliche
eignet, nicht zuletzt weil ein Zweibeiner von Haus aus patschert ist,
verglichen mit der Geschmeidigkeit eines Schneeleoparden.
Viele Menschen verdanken ihre Erkennbarkeit der Tatsache, daß sie
irgend einem Animal ähneln. Ich und viele andere, wir amüsieren
uns, wenn wir in einem gegenüber einen Karpfen, eine Fledermaus oder ein
Pantoffeltierchen zu erkennen glauben. Schön sein ist zwar in, aber
Schiachheit, wie sie mit Eitelkeit geschmückt unsere Plätze und
Medien bevölkert, verschafft unseren schweren Herzen immer Erleichterung
und Freude, und Gerhard Haderer ist unser großer Mäzen. Für
mich ist es Realität wenn Schiachheit nicht nur Unvollkommenheit und
Deppertsein zeigt, sondern eine große philosophische Dimension
eröffnet. Nestroys Satz, - der Mensch an sich ist gut, aber d' Leut san
a Gschwerl - hat einen festen Platz in meinem Hirn. Wenn sie an einem Ort
edle Menschen sehen wollen, dann gehen Sie aufs Oktoberfest und leisten sich
eine Eintrittskarte in die Geisterbahn. Erst danach wird ihnen Angst und
bange, wenn sie im Bierzelt all diese sich selbstverwirklichenden Menschen
sehen. Sind sie real oder nicht? Ich kenne sogenannte echte Deutsche oder
auch wahre Finnen. Aber Haderers Menschen sind mir lieber, weil sie
wahrscheinlich sind oder unwahrscheinlich möglich. Mich beruhigt,
daß ein Kraftfahrer ein Mensch sein kann, auch ein Radlfahrer. Sie sind
welche von uns und wir halten zu ihnen auch mit 3 Promille im Blut. Deshalb
kein Zweifel, - die Hl. Elisabeth kann auch eine Milbe sein und du lieber
Gerhard zeigst uns dieses Menschenbild in dem das Schiache tröstet weil
es uns lachen läßt über die Aussichtslosigkeit schön zu
sein. Die Vergeblichkeit hat eben etwas ungemein Humanes. Lebe hoch Du
Prachtexemplar unter uns Elchen!
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