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Jochen Malmsheimer: "Für Georg" Laudatio angesichts der Verleihung des "Göttinger Elches 2014" an Georg Schramm
am 23ten März AD MMXIV zu Göttingen
Lieber Georg, das ist mir alles sehr, sehr unangenehm und es tut mir auch
alles furchtbar leid, aber... Hach. Sei's drum.
Herr Präsident, verehrter Herr Bürgermeister,
Eminenzen, Sedisvakanzen, Magnifizenzen und Monstranzen,
Hohes Haus, weiter Raum, sehr verehrte Damen, hochmögende Herren,
Göttinger und nicht zuletzt: Elche!
Es sollte mir eigentlich ein inneres Fußbad, ja, eine zutiefst
empfundene, bernsteinerne Freude sein, Dir, lieber Georg, ganz
persönlich und auch noch an dieser exponierten Stelle und vor allen
Leuten zur Verleihung des "GÖTTINGER ELCH 2014" gratulieren zu
dürfen. Und das ist es natürlich auch.
Irgendwo.
Aber gerade der Auftrag, Dich diesbezüglich angemessen zu laudatieren,
warf erhebliche und unerwartete Schwierigkeiten auf, ja, ich muss zugeben,
und das fällt mir in diesem Rahmen und angesichts der großen
Freude, die ich ja eigentlich empfinde, besonders schwer, ich muss zugeben,
dass ich gescheitert bin, und zwar auf der ganzen Linie. Es tut mir sehr
leid, aber ich kann diese Laudatio nicht halten. Es geht einfach
nicht.
Bevor ich dieses Pult nun verschämt wieder räume und sie alle
mit den sicherlich gehaltvolleren Häppchen im warmen Grußwortregen
meiner Vorredner stehen lasse, möchte ich Ihnen nur kurz noch von den
Schwierigkeiten berichten, denen ich mich bei der Konzeption dieser
gescheiterten Laudatur gegenübersah, so dass Sie mir am Ende vielleicht
sogar dahingehend zustimmen werden, dass es eine herkömmliche Laudatio
für Georg Schramm einfach nicht geben kann.
Damit hier überhaupt etwas Text stattfindet, Georg, gestatte mir
zunächst einmal ein paar Bemerkungen zum Thema Preis im Allgemeinen und
Besonderen:
Meiner privaten Auffassung nach, die allerdings von den meisten
führenden Köpfen des Genres in seltener Einmütigkeit geteilt
wird, hast Du alle Preise, die es auf dem Felde des Kabaretts im Besonderen,
wie dem des Humors im Allgemeinen, im Bereich der Schauspielerei, der
Philosophie wie der Geronto-embrimastie, das ist die Alters-erzürnung,
einen Begriff, den es nicht gibt, den Du aber durch Deine Arbeit geradezu
erzwangst, und den ich deshalb an meiner Wortbank selbst gedreht habe, dass
du also eigentlich alle Preise, auch jene, die es im Bereich des
Prothesenhandwerks, wie der Handschuhmanufaktur, der allgemeinen Fluchkultur,
des Frisiercreme-Gewerbes, des affektartigen Rotsehens gegenüber
Sprachpanschern, Volkstäuschern und Menschenverächtern und in
einigen anderen Disziplinen zu vergeben gibt, strengstens verdienst, ja, ich
hatte eigentlich angenommen, dass Du sie alle längst besitzest.
Aber einige Preisverleiher brauchen augenscheinlich wohl ein wenig
länger, doch seien wir, der Weihe des Momentes eingedenk, nachsichtig,
milde, froh und dankbar, dass es Ihnen überhaupt eingefallen ist.
Überdies ist die schiere Anzahl der zu bekommenden Kabarettpreise in
den letzten Jahren so unmäßig gewachsen, dass sie dabei die Menge
derjenigen Kabarettisten, die auszeichnungsfähig sind, schlechterdings
längst überflügelt hat.
Mittlerweile könnte es also bereits eine Auszeichnung sein, keine
Auszeichnung zu bekommen, ein Ansatz, der inhaltlich gerade von jenen
Haushaltsmitgliedern des Ausgezeichneten begrüßt wird, die
für die Pflege der Vitrinen verantwortlich zeichnen, in der die gerade
noch vorzeigbaren Statuetten, rachitischen Stelen, verstörenden
Glasobjekte und perhorreszierend talentarm, aber nichtsdestotrotz
handgemalten Teller lagern.
Aber auch jene Angehörigen, welche die Hege des Gartens zu ihren
Obliegenheiten zählen, begrüßen jede verliehene
Bronzeallegorie herzlich, da die als geschmackliche Generalentgleisungen
erkannten Preisbildwerke, unter Büschen und in Staudenbeeten
bestimmungsfern installiert, beispielsweise dazu verwendet werden
müssten, durch das Erschrecken von Schnecken unwillkommenen
Salatfraß oder Kohlrabiraub zu unterbinden. Was übrigens wegen
der stupenden Schwachsichtigkeit der Mollusken, trotz der geradezu Ehrfurcht
gebietenden Scheußlichkeit mancher Trophäen, noch nicht
einmal funktioniert hat.
Bei Preisen mit humoristischem Hintergrund ist zudem nicht selten das
fatale Bemühen der Verleiher spürbar, in die Gestaltung und Machart
der Repräsentanzfigurine, wie in die Verleihungsbegründung der
Jury, ein gerüttelt' Maß an Witzischkeit einzuarbeiten, ein
Versuch, der das Exponat in jedem Fall ruinieren und die als Lob gedachte
Begründung beinahe zur Schmähung wandeln muss.
Bei diesem Preis ist das erfreulicherweise alles anders.
Die Begründung der Jury bezüglich der Verleihung ist auch für
Nichtmitglieder prinzipiell erstaunlich nachvollziehbar und in weiten Teilen
inspiriert abgefasst und die Dotierung des Preises ist nicht unerheblich.
Wobei allerdings die Gestaltung der Summe als Schnapszahl schon ein wenig das
oben beschriebene, holprige Streben nach Witz offenbart und die
humoristischen Grenzen, innerhalb derer zumindest das stiftende Geldinstitut
siedelt, wohl auch klar absteckt.
Auch die Übereignung von 99 Dosen einer Elchrahmsuppe, die, wenn sie
denn tatsächlich Spuren jenes größten, nahezu eine Tonne
wiegenden Hirsches dieser Erde enthielte, bei einer durchschnittlichen
Fleischeinwaage von geschätzt 50 Gramm pro Dose nur etwa 5 Kilogramm des
Tieres repräsentierten, was wiederum bedeutete, dass nicht nur alle 16
vorherigen Preisträger von diesem einen Tiere zehrten, dessen Eindosung
offenbar 1997 anlässlich der ersten Preisverleihung vorgenommen wurde,
sondern dass auch noch die kommenden 183 Preisträgerinnen und
Preisträger versorgt sein werden, -in Zeiten allgemeinen Sparzwangs und
der Besinnung auf den verantwortlichen Umgang mit den Mitgeschöpfen ist
dies durchaus beruhigend-...
...auch dieser Umstand also, einem Preisträger Suppe für sein
Lebenswerk auszuschenken, darf getrost als intensive komödiantische
Anstrengung des gastronomischen Gewerbes aufgefasst werden, das damit zum
humorigen Bemühen des Geldinstitutes mühelos aufschließt,
denn 99 Dosen Suppe von wem auch immer sind genauso komisch wie eine Summe,
die auf 33 Cent endet. Wer weiß, vielleicht wähnten die
Stiftenden gar bei den Preisträgern, die ja alle ihre Adoleszenz
offenkundig überwunden haben, eine hormonelle Vakanz ausgemacht zu
haben, die es adäquat, also mit Suppe, zu besetzen gilt, denn Essen ist
ja bekanntlich der Sex des Alters, wenn man kein Golf spielt.
Sei es, wie es sei, der völlig zu Unrecht verstorbene Hanns Dieter
Hüsch mutmaßte einmal, dass sich der Mensch heutzutage die
fehlende Wärme doch meist aus einer Suppe hole, und wenn er damit Recht
hatte, dürften für Dich die nächsten Winter ohne Schrecken
sein, selbst wenn ihr sie auf Spitzbergen zu verbringen gedächtet.
Ich denke, gerade die Firma Barteroder Feinkost, die jene
preisverbrämende Elchrahmsuppe sicher nach überliefertem
Samenrezept herstellt, man spricht nicht von ungefähr von der
Sämigkeit von Lappensuppen, diese Firma ist jedes Mal auf's Neue
erleichtert, dass dem großen F.W. Bernstein damals der besagte Vers mit
Elchen eingefallen ist und nicht etwa:
Die schärfsten Kritiker der Molche
waren früher selber solche!
oder
Die schärfsten Kritiker der Reiher
waren früher selber Eier
oder
Die schärfsten Kritiker der Wiese
waren früher flach wie diese
Man möchte wahrlich nicht darüber nachsinnen, ob und wenn ja,
wie sich denn ein Lurchsüppchen, ein Reihereiersalat oder ein
Wieseneintopf als Preis für intellektuell- humoristische
Sonderleistungen ausgenommen hätte, angesichts eines dosischen
Preisgrasgerichts frohlockten wohl ausschließlich vegane
Humorarbeiter.
Oder Elche.
Auch hier muss es also heißen: Glück gehabt und Bernstein sei
Dank!
Die Qualität und das Gewicht eines Preises allerdings bemisst sich
jedoch nicht hauptsächlich an der Geschmeidigkeit der Losung, der
Höhe seiner Dotierung, der Anzahl der Dosen oder an der Reputation des
Spenders, sondern zum Großteil an der Güte derer, die ihn bereits
erhalten haben. Hier hast Du richtiges Glück, das Kollegium besteht aus
insgesamt prächtigen Menschen ausgesuchter humoristischer Qualität
und erlesenen satirischen Geblüts, in deren Gegenwart es sich durchaus
aushalten läßt und Du Dich für Deine Anwesenheit auf deren
Liste nicht zu schämen brauchst.
Soviel zum Preis, jetzt zum Scheitern.
Ereilt einen der Auftrag, jemanden wie Georg Schramm für die
preisbewehrte Aufnahme in einen erlauchten Kreis und darüber hinaus noch
für sein künstlerisches Schaffen und die Bedeutung desselben
für Kosmos, Kultur, Kabarett und Konsternation in einer Rede angemessen
zu würdigen, macht man sich, sobald die Schockstarre etwas abgeklungen
ist, an die Recherche, mit dem Ziel, zum Einen das Eigene von dem bereits
gesagten Anderer abzugrenzen, zum Anderen das Objekt der Verehrung in seiner
schillernden Vielfarbigkeit möglichst in toto zu erfassen, dessen
vielgestaltes Werk zu überblicken, seine Strahlkraft und Einflüsse
auf Andere, ja, die Wirkmächtigkeit auf das große Ganze
abzuschätzen, das Wesen dieser seiner speziellen Kunst zu begreifen und
treffsicher zu modellieren, ohne dabei in eine lächerliche und
mitleiderregende Kopie seines Duktus' zu verfallen, vielleicht gar den Grund
für all' diese seine enorme künstlerische und menschliche
Anstrengung zu finden, die tiefe Moral, die das ganze Werk beatmet, behutsam
heraus zu präparieren, kurz: das Wesentliche, was den Künstler wie
den Menschen Georg Schramm beseelt, herauszuschälen und das alles
hernach begeistert und sprachlich angemessen, aber nicht schwärmerisch
servil zu präsentieren, und bei allem auch noch jene seltene Gabe
Schramms nicht zu vergessen, dem Publikum über das Erlebnis des Abends
hinaus etwas mit nach Hause zu geben.
Kabarett-Publikum will ja immer etwas mit nach Haus nehmen, nun gehören
die Stühle aber dem Veranstalter!
Das ist also nicht so einfach, aber Georg Schramm schafft das.
Immer wieder.
Und das Mobiliar bleibt jeden Abend unangetastet.
Wenn man soweit gediehen ist, lehnt man sich ein wenig zurück und
schnauft durch: So. Die sogenannte road-map steht.
Und dann folgt dieser grausame, kalte Moment der Ernüchterung, der einem
sagt: laß es! Lass es bleiben!
Denn dann sieht und liest man, was all' die berühmten Kollegen und
veritablen Kenner der Szene, die Gralshüter der reinen Lehre, die
Kabarettpolizei, die den Humor bewacht, die Feuilletonschwadroneure, die
Humorfabrikanten, Pointenschweißer und Witzmonteure des Fernsehens,
all' die Fachpublizisten und Kulturamtslachverwalter, die Juryvorsitzenden,
die Sonderbeilagen- und Einlegerredakteure sich über das Phänomen
Schramm im Laufe der Jahre entsteißten und nachdem ich das alles
gelesen hatte, stellte ich fest, dass für mich nichts mehr übrig
ist.
Es ist bereits alles gesagt. Mehrfach. Hundertfach. Tausendfach.
Und das besser, tiefgründiger, kenntnisreicher und pointierter, als ich
das je könnte. Oder wollte. Das ist Pech.
Und deswegen hat es auch keinen Sinn, erneut darauf hinzuweisen, was
für ein großartiger Beobachter seiner Mitmenschen Georg Schramm
ist und dass es seine Beobachtungsgabe und die Menschenliebe ist, die seine
Figuren so hautnah und intensiv werden läßt, und dass das eben
nicht nur daran liegt, dass Georg Schramm einen psychologischen, wie
militärischen Hintergrund besitzt, den haben viele und es hat ihnen
nichts genutzt. Nein, er hat dazu noch einen Mittelgrund aus Wärme,
Intelligenz, Einfühlungs- wie Sprachvermögen und einen massiven
Vordergrund aus Humor, intensiver Recherche und daraus resultierender
Sachkenntnis und diese drei Ebenen zusammen schaffen ein massives
Gesamterlebnis von zementenem Gewicht und vulkanischer Wucht.
Ich muss sicher nicht zum hundertsten Male auf die sprachliche Kraft
seines Lothar Dombrowski verweisen, der übrigens mit zweitem Namen
Attila heißt, nach jenem in Ungarn geborenen Mongolen, was
übrigens übersetzt "Väterchen" bedeutet, also nicht "Mongolen"
sondern "Attila", und der im Reiten Bogen schießen konnte, so wie
Lothar Dombrowski im Laufen Dinge sagt, die anderen nicht mal im Liegen
einfallen würden.
Der Name Lothar Dombrowski erinnert natürlich an den Journalisten
gleichen Namens, jenen sonor sprechenden Überkämmer, der immer,
wenn er nachhakte, ankündigte: "ich möchte da mal
nachhaken...".
Und die Brille gemahnt stark an das WDR-Urgestein und sonntäglichen
Frühschöppner Werner Höfer, der journalistische Genauigkeit im
Gespräch besonders durch die Verabreichung von reichlich Riesling
erreichte, eine Technik, die im Fernsehen leider ganz in Vergessenheit
geraten ist.
Ebenso ist es müßig, darauf hinzuweisen, dass Georg Schramm in
Lothar Dombrowski, in Oberstleutnant Sanftleben und besonders in meinem
speziellen Freund August, jenem armen alten Mann, der so sehr an der SPD, dem
parteigewordenen Grab der Sozialdemokratie, leidet, die Grenzen des Kabarett
längst hinter sich gelassen hat und dennoch die des alleinigen
Schauspielens, also des mittelprächtig ambitionierten Aufsagens fremder
Texte, nie übertrat.
Uns wird die Wirklichkeit entwickelt, ungeschminkt, unbeschönigt,
klar und rein und das jeden Abend auf's neue.
Und ich fragte mich schon oft, befeuert nach einem solchen Abend, warum wir
nicht einfach mal wieder, wie früher dem furor teutonicus Raum geben,
indem wir da raus und in die gläsernen Paläste der Politik, rein
gehen, um als mündiger Souverän mal höchstpersönlich und
offensiv dringend notwendige personelle Auswechselungen vorzunehmen, so ein
Autodafé auf dem Rathausplatz hat auch heute noch seinen ganz eigenen
ästhetischen Reiz!
Jeden Abend auf's Neue also erklärt uns Lothar Dombrowski, wie wir
benutzt, verscheißert, untergepflügt und vor allem nicht gefragt
werden, wie wir mit der Illusion demokratischer Strukturen sediert werden,
die längst zum Selbstzweck verkommen sind und unseren Blick trüben
sollen für die Tatsache, dass unser ganzes Land, unser Leben, wir
selbst, unsere Kinder und die Alten in Geiselhaft genommen wurden von der
Politikindustrie, dem Lobbyistenpack, den Interessenbewahrern und den
Märkten, den Märkten!
Wenn schon einer: die Märkte sagt, muss ich kotzen!
Es gibt nur einen, aber der ist für alles!
Und wir würden das alles vermutlich noch nicht einmal gemerkt haben,
gäbe es nicht jenen, angesichts der Zeitläufte und deren Personals
prinzipiell leicht übel gelaunten, älteren Herrn, dessen ungeheures
Entrüstungspotenzial uns Schwächere stützt und trägt und
der es wie kein anderer versteht, unserem Zorn eine Stimme und der
Empörung Gesicht und Haltung zu verleihen.
Lebte Karl May noch, hätte er ihn Old Leatherhand genannt und ihn mit
einem speziellen, nur mit einer Hand nachladbaren Henrystutzen ausgestattet
oder gleich die Holzhand zu einem Sechsschüsser umgearbeitet, um all'
den Rattlers dieser Welt, -bei Karl May haben die Bösen
dankenswerterweise auch alle immer böse Namen, man heißt dann
nicht Niebel oder Pastörs, sondern eben Rattler, um also all' den
Rattlers dieser Welt mal richtig Feuer unter dem Arsch oder einen zweiten
Nabel zu machen!
Man muss nicht zum -zigsten Male erwähnen, dass Lothar Dombrowski der
Decubitus der Pharmaindustrie ist, jene nässende, nicht heilen wollende,
ewig schmerzende Stelle am Gesäß, gegen die sie keine Pillen hat
und kein Kraut wachsen lassen kann!
Ich muss mich nicht selbst zitieren, indem ich sage, dass er der in Tweed
geronnene Albdruck derer ist, die an den Särgen unserer Kinder, die, wie
man uns weiß zu machen sucht, am Hindukush für Recklinghausen oder
Hemer oder Rügen gestorben sind, die im Angesicht der fassungslosen
Eltern an diesen Kindersärgen staatstragende Anteilnahme heucheln!
Er ist die hornbebrillte Nemesis derer, die die Alten, Kranken und Wehrlosen
in Pflegesilos verklappen, er verkörpert wie kein zweiter Zorn und
Wahrheit, Witz und Wärme und er ist eine moralische Instanz, ohne es je
darauf angelegt zu haben, kurz:
Er ist genau das, was wir alle dringend brauchen und ich hätte nie
geglaubt, dass ich das mal sagen würde, aber: Die Hoffnung trägt
beige!
Doch das könnten wir alle längst wissen.
Weil es schon mal gesagt wurde.
Was aber bleibt dann noch für eine Laudatio?
Nun, ich könnte natürlich davon erzählen, wie ich Georg
Schramm kennen lernte, das war in Hamburg vor sehr vielen Jahren, ich war
damals noch mit einem Kollegen im Duo unterwegs und wir lasen vor, mit
Talent, wie wir das nannten, also mit Betonung an der richtigen Stelle. Es
gab noch keine solche Leseszene, wie sie sich heute etabliert hat und wir
waren, wie alle Anfänger froh, bisweilen nicht nur vor Möbeln zu
spielen, hielten das, was wir machten, für ungeheuer wichtig,
prächtig und einmalig und waren hochbefangen, in Georg Schramm einen
Titanen des Berufes persönlich kennen zu lernen.
Das ist es übrigens, was ich bis heute an diesem Berufsbild nach wie vor
so sehr schätze, dass man nämlich seine Idole persönlich
kennen lernen kann und mitunter und ein wenig Glück sogar mit Ihnen auf
die Bühne darf, also zusammenarbeiten kann.
Wo gibt's das sonst noch, außer in der Raumfahrt?
Und Georg Schramm erkundigte sich artig, nachdem wir einander durch die
Missfits vorgestellt worden waren, in deren Kielwasser wir damals in Hamburg
weilten, -das war ein Wortwitz, um ihre Aufmerksamkeit zu testen- er
erkundigte sich also artig, was wir denn so machten und wir sagten es ihm und
er antwortete ganz freundlich und wahrscheinlich grundehrlich:
"So. Hm. Vorlesen. Klingt nicht so spannend."
Damit war der Tag dann für mich erledigt und ich fragte mich, wenn das
der Titan des deutschsprachigen Kabaretts sei, ob ich dann wohl irgendetwas
mit dem deutschsprachigen Kabarett zu tun haben wollte und seitdem hatte ich
ein bisschen Angst vor ihm und vor der Wahrheit und dass man sie mir so
ungeschminkt mitteilt.
Aber er hatte natürlich recht und seitdem arbeite ich daran, etwas
spannender zu werden, ohne das Lesen ganz aufzugeben.
Aber ich begegne auch dem eigenen Schaffen seither mit
allergrößter Skepsis.
Ich könnte Ihnen aber auch erzählen, wie mein alter
Griechischlehrer vom Sofa stürzte, als Georg Schramm in der Sendung
"Neues aus der Anstalt" in seinem wundervollen Zorn-Monolog die ersten Verse
der Ilias deklamierte, auf Altgriechisch!
Im ZDF!
Wo man doch eher Kirchenlatein erwartet hätte, weil man das da auf den
Gängen bisweilen noch spricht, aber Griechisch?
"Ménin áeide theá Peleiádeo Achiléos
Den Zorn besinge, Göttin, des Peleussohnes Achills..."
deklamierte Dombrowski und ich antwortete:
oúloménen, he myrí' Achaíois álge étheke!
Den verdammten Zorn, der den Achaiern unzählige Schmerzen brachte!
In diesem Moment fiel der alte Mann vom Sofa.
Ein ganzes Schulleben hindurch hatte ich eine stabile 5minus im Griechischen
halten können und die Versetzung nur geschafft, weil er eine
schützende Hand über mich gehalten hatte und nun sprach der Junge
Griechisch, im Fernsehen, zusammen mit Lothar Dombrowski!
Beim Zeus nochmal! Bringt Oliven und Wein! Und Ouzo. Für meine Freunde!
Für meine richtigen Freunde!
Die Welt konnte nicht komplett verloren sein!
Zumindest für den alten Mann ist sie das, auch wegen Georg Schramm, bis
heute nicht. Und Homer steuerte auch seinen Teil bei. Es hätte ihn
gefreut.
Aber das wäre für diesen Anlaß und eine öffentliche
Laudatio alles viel zu unspektakulär.
Es wäre für die Welt uninteressant, wenn ich erzählte, dass
mir am allermeisten die tiefsitzende Wärme, Freundlichkeit und Sorge um
das Wohl der Kollegen von Georg Schramm gefällt, alles Tugenden, die
für den Zuschauer unbemerkt bleiben, wie ich seine Lust am Spielen und
Ausprobieren, seine Exaktheit, das ungeheure Timing aber auch die Lust am
Probieren, am echten Spielen und damit zwangsläufig gelegentlich auch am
Scheitern, liebe.
Ich könnte Ihnen erzählen, was wir alle für einen ungeheuren
Spaß hatten, als er uns, einem Haufen zusammengewürfelter junger
und jüngerer Kollegen, die Freude machte, ohne auch nur eine Sekunde zu
zögern, einen Musketiermummenschanz in der Rolle des Kardinal Richelieu,
mit Lederhand! mitzumachen, der allen, die daran vor, auf und hinter der
Bühne teilnahmen, unvergesslich bleiben wird.
Gerade darum ist es auch so schade, dass all' das ungesagt bleiben muss.
Es tut mir sehr, sehr leid.
Mein Scheitern ist übrigens so komplett, dass diese Laudatio sogar
ohne ein Zitat von Lichtenberg auskommt, ein in Göttingen geradezu
unverzeihlicher Fehler.
Sie kommt allerdings auch ohne einen Verweis auf Herbert Grönemeyer aus,
einen Göttinger, der meiner Heimatstadt Bochum das einzige einbrockte,
was dermal einst im kollektiven Gedächtnis an Bochum erinnern wird, ein
sozialromantisches Liedchen nämlich, ein Stammtischhymnus für
seichte Gemüter in Knödelgesang.
Danke.
Dafür sandte Bochum Ihnen Manfred Eigen, was wahrhaft ritterlich und
nicht hoch genug zu schätzen ist, denn wir vergalten Ihnen Lapidares mit
Wesentlichem. Das finde ich, sollte allerdings Erwähnung finden!
So. Schluss jetzt.
Lieber Georg, es tut mir leid, dass das mit der Laudatio nicht geklappt hat,
vielleicht beim nächsten Mal.
Die ganze Familie gratuliert Dir auf jeden Fall von ganzem Herzen und wir
meinen, die Elche können stolz sein, einen wie Dich in der Herde zu
haben. Also: Lycka till!, wie man als Elch sagt. Oder: Schluck auf!, wie es
bei uns heißt.
© Jochen Malmsheimer, im März AD MMXIV
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