Home Der Göttinger ELCH
Ausgezeichete Elche:
 Verleihung   Fotos   Urkunde   Vita   Werke   Special   Presse 
1997 Chlodwig Poth
1999 Robert Gernhardt
2000 Gerhard Polt
2001 Harry Rowohlt
2002 Marie Marcks
2003 F.W. Bernstein
2004 Emil Steinberger
2005 Otto Waalkes
2006 Hans Traxler
2007 Ernst Kahl
2008 Biermösl Blosn
2009 Helge Schneider
2010 Olli Dittrich
2011 Josef Hader
2012 Franziska Becker
2013 Michael Sowa
2014 Georg Schramm
2015 Rudi Hurzlmeier
2016 Max Goldt
2017 Gerhard Gläck
2018 Pit Knorr und Wiglaf Droste
2019 Gerhard Haderer
2021 Maren Kroymann
2022 Eugen Egner
2023 Rainald Grebe
News
Geschichte
Oheim Lichtenberg
Rudeltreffen
Rudeltreffen II
Links
Impressum
Datenschutzerklärung

Vita

1949

Franziska Becker wird am 10. Juli in Mannheim geboren. Der Vater ist Arzt, die Mutter Hausfrau, die Familie liberal.
Schon früh zeigt sich Franziska Beckers zeichnerische Begabung, die sie womöglich geerbt hat: Ein Urgroßvater ist Maler, eine Tante Illustratorin. Die spöttisch geschärfte Beobachtungsgabe der Mutter wird sie ebenfalls geprägt haben, zugleich trägt die humanistische und skeptische Weltsicht des Vaters ihr Teil bei.
Zu Vorbildern in der Kindheit und Jugend werden Wilhelm Busch, der Donald-Duck-Zeichner Carl Barks, der "Simplicissimus"-Karikaturist Olaf Gulbransson, der Schöpfer der "Vater und Sohn"-Bildergeschichten e.o.plauen, der Illustrator von Erich Kästners Kinderbüchern Walter Trier, die Malerin und Karikaturistin Jeanne Mammen sowie George Grosz. Später, als sie längst eine Große der deutschen Karikatur geworden ist, wird sie sich mehr als Nachfolgerin der wegweisenden englischen Karikaturisten des 18. Jahrhunderts verstehen und sich in der Tradition von William Hogarth, James Gillray und Thomas Rowlandson sehen.

1968

Franziska Becker macht Abitur am Mannheimer altsprachlichen Gymnasium. Am liebsten möchte sie die Kunst zum Beruf machen, doch raten ihr die Eltern strikt ab, obwohl sie ihre Mal- und Zeichen-Leidenschaft stets unterstützt haben. Nach dem kurzen Zwischenspiel eines bald abgebrochenen Ägyptologie-Studiums, das Franziska Becker 1969 ins nahe gelegene Heidelberg geführt hat und das ebenso wenig Aussichten auf einen auskömmlichen Brotberuf bieten würde, sattelt sie vollständig um und beginnt eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin, die sie 1971 abschließt.

1972

Statt ins Berufsleben einzutreten, folgt Franziska Becker nun doch der Stimme ihres Herzens und wechselt an die Kunstakademie Karlsruhe, wo sie unter anderem bei Markus Lüpertz studiert. Sie lernt die klassischen Techniken, aber trainiert in der Freizeit ihre satirische Beobachtungsgabe und ihr komisches Zeichentalent, indem sie "nebenher alle möglichen Leute und Situationen aufs Korn nimmt", wie sie sich erinnert.
Seit 1973 engagiert sie sich zudem in der Heidelberger Frauenbewegung, malt Plakate und nimmt an Aktionen teil. Im Frauenzentrum lernt sie 1975 Alice Schwarzer kennen, die mit dem Plan einer neuartigen, feministischen Frauenzeitschrift schwanger geht. Im Herbst 1976 steht die "Emma" unmittelbar vor dem Erscheinen, und Franziska Becker bewirbt sich mit einer kleinen Kugelschreiberzeichnung als Cartoonistin.

1976

"Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem ich den ersten Brief von Franziska Becker in der Hand hielt", schreibt Alice Schwarzer viele Jahre später in ihrem Beitrag für den Ausstellungskatalog zur Triennale in Greiz 1994. "Es muss im Oktober oder November 1976 gewesen sein, also in den letzten heißen Wochen vor Erscheinen der Emma. Alles war klar, nur eines nicht: Wo kriege ich die von mir für Emma so heiß ersehnte Karikaturistin her?
Sie habe gehört, schrieb Becker, dass wir eine Karikaturistin suchen. Erfahrungen habe sie zwar noch nicht - mal abgesehen von privaten Kritzeleien zu Geburtstagen und Festen - aber Spaß machen würde es ihr schon. Das Ganze war schwungvoll mit 'Franziska' unterzeichnet und geschmückt mit einem kleinen Selbstporträt in der rechten unteren Ecke des Blattes.
Nun klingt es immer ein wenig albern, wenn man es im Rückblick und nach erfolgtem Erfolg sagt, aber es ist wahr: Dieser Zeichnung war anzusehen, dass die Frau Talent hat.
Unsere rasche Antwort: Versuch's mal. Und Franziska Becker, damals noch Kunststudentin im achten Semester, versuchte. Es kam Frau Knöbel, eine Parodie auf 'Brigittes' Vorher/Nachher. Der Strich noch ungeübt, zögernd, kaum Abstraktionen und Zuspitzungen wagend; die Idee: schon scharf hingeguckt und hingehört."

1977

Franziska Becker debütiert in der ersten, am 26. Januar erscheinenden Ausgabe der "Emma" mit ihrer Bildergeschichte über Frau Knöbel, die "das Beste aus ihrem Typ machen" will und als "attraktive, selbstbewusste Frau mit persönlichem Stil" endet, deren Mann auf dem Sofa hockt, Fußball guckt und kein Auge für seine schick herausgeputzte Frau hat.
Becker wird zur Hauszeichnerin des Blattes, das sie bis heute Nummer für Nummer mit Cartoons, Karikaturen und Bildergeschichten versorgt. "Obwohl ich mir nach der ersten Veröffentlichung nicht vorstellen konnte, dass mir immer wieder was einfallen würde", so Franziska Becker in einem Interview, "habe ich sofort das Studium abgebrochen und mich auf die Karikatur als Beruf gestürzt. Manchmal ist es eben richtig, aufs Gefühl und nicht auf Sicherheit zu achten."
Die Mischung aus angriffslustiger Satire und Selbstironie, aus scharfem Witz und liebevoller Ironie, mit der sie Typen, Themen und Szenen aus Frauenbewegung, Studentenleben und alternativer "Szien" auf Papier verewigt, lässt auch andere Medien auf sie aufmerksam werden. Zur Arbeit für die damals monatlich erscheinende "Emma" kommen weitere Aufträge; Zeitschriften wie "Psychologie heute", "Stern", "Titanic", "Annabelle", "Spielen und Lernen", das Magazin des "Züricher Tagesanzeigers", der "Kölner Stadt-Anzeiger" und viele andere Zeitungen und Magazine bringen ihre Zeichnungen. Zeichnungen, die sich heute, in der Gesamtschau, zu einer Chronik der letzten 35 Jahre zusammenschließen: Ob Hausbesetzungen, Kampf gegen den ยง 218 und Widerstand gegen die Startbahn West einst oder Finanzkrise, Hartz IV und Kopftuchdebatte heute, Franziska Becker hat in ihren Cartoons und Bildergeschichten festgehalten, was in Politik und Alltag los war.

1980

Ihr erstes Buch erscheint: eine Auswahl ihrer "Emma"-Zeichnungen unter dem Titel "Mein feministischer Alltag", der auf Chlodwig Poths Bildergeschichten "Mein progressiver Alltag" anspielt. Wirft Poth Schlaglichter auf das inkonsequente, widerspruchsvolle Leben eines links sein wollenden Achtundsechzigers, führt Franziska Becker das von ähnlichen Widrigkeiten geprägte Dasein nach Anerkennung, Gleichberechtigung und Selbstverwirklichung strebender Frauen vor. Ihr Buch wird ein Dauerbrenner, avanciert zu einem Klassiker der feministischen Literatur und wird drei weitere Bände im Gefolge haben.
Drei von insgesamt weit mehr: Bis heute hat Franziska Becker gut 20 Bücher veröffentlicht, darunter "Männer" (1985), "Weiber" (1990) und die Asterix-und-Obelix-Adaption "Feminax und Walkürax" (1992). Außerdem beteiligt sie sich an Anthologien, liefert Buchillustrationen, macht Kalender, zeichnet Plakate und bestreitet Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland, die sie bis in die Türkei, nach Indien und in die USA führen.

1985

Franziska Becker zieht nach Köln. Dort und im Bergischen Land (wo sie in einem abgeschieden liegenden Dorf ein altes Fachwerkhaus bewohnt, in das sie sich zur Erholung und Entspannung zurückzieht) lebt und arbeitet sie bis heute.
Grund ihres Umzugs ist der Zeichner papan (alias Manfred von Papen), mit dem sie, die zuvor in Heidelberg verheiratet war, zwölf Jahre liiert sein wird. Ihren künstlerischen Niederschlag findet die Beziehung in dem Buch "Hin und her" und in etlichen gemeinsamen Ausstellungen. Außerdem betreibt das Künstlerpaar eine Ladenwerkstatt, in deren Schaufenster zum Vergnügen der Passanten komische Installationen ausgestellt werden.

1988

Franziska Becker hat sich zur bedeutendsten deutschen Cartoonistin neben Marie Marcks, der Grande Dame der weiblichen deutschen Karikatur, hinaufgezeichnet. (Mit ihr war Franziska Becker übrigens in Heidelberg über die Familie ihres Ehemannes "beschwiegerfreundet".) Auf dem Erlanger Comic-Salon, der jährlich stattfindenden deutschen Messe für Verlage und Autoren auf dem Gebiet der komischen Zeichenkunst, wird sie mit dem "Max-und-Moritz-Preis als bester deutscher Comic-Künstler" ausgezeichnet - eine Ehrung, für die sie freilich die nichtgeschlechtsneutrale Bezeichnung in Kauf nehmen muss.

2000

Ungefähr um die Jahrtausendwende beginnt Franziska Becker großformatige Bilder zu malen, für die sie auch ungewöhnliche Materialien benutzt. Das 2001 geschaffene Gemälde "Judith" beispielsweise malt sie mit Acrylfarben und Buntstiften auf Leinwand und arbeitet Toilettenpapier ein. Andere Dinge, die sie in Collagetechnik in ihre Malerei einfügt, sind Federn, Pflaster, Lappen, Schals, Holzstücke, Gras, Zifferblätter und ähnliche Fundsachen. "Das Bild als reines Abbild ist Becker einfach nicht genug. Ihr Blick auf unsere Welt erzeugt ein irritierendes Bild unseres Daseins, stets schwankend zwischen Traum und Realität, detailgetreu, trotzdem überspitzt und dabei von zeitloser Aktualität", befindet 2010 der deutsch-französische Kultursender arte in einem Bericht über Beckers große Frankfurter Ausstellung "Letzte Warnung" und resümiert: "In Franziska Beckers Gemälden offenbart sich die ganze Bandbreite ihres handwerklichen und künstlerischen Könnens."
Während Franziska Becker einerseits ihre formalen und stilistischen Möglichkeiten erweitert, bleibt sie in anderer Hinsicht lieber altmodisch. Auf die Frage "Zeichnen Sie auch mit dem Computer?" antwortet sie: "Nö, mit dieser Technik mache ich mich gerade erst vertraut, und alles dauert 100-mal länger als mit der Hand. Außerdem brauche ich das Haptische, das Sinnliche; z.B. klingt ein bemaltes Papier anders als ein unbenutztes. Das ist Musik in meinen Ohren. Der Computer scheint mir dagegen unlebendig."
Stichwort "haptisch": Franziska Becker wendet sich außer der großen Malerei auch der Objektkunst zu - und formt beispielsweise einen kleinen, durchsichtigen Kunstharzblock mit darin eingekapselter Klo-Kampfszene.

2006

Außer in Köln und im Bergischen Land lebt Franziska Becker jetzt auch in Philadelphia, der Heimatstadt ihres US-amerikanischen Lebensgefährten. "Er ist der faulste Mensch, den ich kenne, und ist wahrscheinlich gut für mein Seelenheil", so Franziska Becker in einem Interview. "Amerikaner sind freundlich, höflich und haben echte joie de vivre. In Deutschland ist Zufriedenheit immer suspekt. Und in den USA scheinen die Menschen die Fähigkeit zu echter Entspannung zu besitzen. Das gibt es hier nicht."

2006/07

Zusammen mit der Künstlerin Ulla Horký bereist Franziska Becker Ägypten; der künstlerische Ertrag wird in einer Ausstellung präsentiert. 2008 reisen beide nach Bolivien; die daraus erwachsenen Gemeinschaftsarbeiten - die mehr gegenständliche und karikaturistisch inspirierte Malweise Beckers einerseits, Horkýs der Abstraktion sich nähernde Mischtechnik aus Malerei und Fotografie andererseits, beides vereint auf einem gemeinsamen Bild - werden 2010 in der Ausstellung "Sal y Sucre" gezeigt.

2008

Die Ausstellung von Franziska Beckers Cartoons aus dreißig Jahren lockt im Wilhelm-Busch-Museum Hannover über 15.000 Besucher an.

2010

Die rund 300 Exponate umfassende Werkschau des caricatura-Museums in Frankfurt am Main präsentiert unter dem Titel "Franziska Becker - Letzte Warnung" neben der Cartoonistin auch die Malerin und Objektkünstlerin und führt damit erstmals die Vielfalt von Franziska Beckers künstlerischem Schaffen vor.

2012

Franziska Becker erklimmt den vorläufigen Höhepunkt ihrer Laufbahn und erfährt die längst überfällige Krönung ihres Schaffens: Sie wird zum "Göttinger Elch" erkoren und erhält damit den wichtigsten Satirepreis im deutschsprachigen Raum.
Unter den mittlerweile 15 Preisträger(inne)n ist sie die zweite Frau nach Marie Marcks, der die Ehrung 2002 zuteilwurde. Um den weiblichen Anteil zu steigern, möge hier zum Schluss Franziska Beckers Antwort auf die Frage "Was muss man können oder haben, um Karikaturistin zu sein?" stehen, auf dass viele sich an ihr ein Vorbild nehmen:
"Talent; Neugier; Leidenschaft; Üben Üben Üben; Aktzeichnen, um die Bewegung der Körper zu verstehen; Fleiß; man muß Kritik einstecken und positiv umsetzen (gerade Frauen fühlen sich durch Kritik oft persönlich getroffen); Spaß an der Groteske, der Übertreibung und eine Haltung zur Welt und zur Politik; die Möglichkeit zu veröffentlichen, denn nur im Dialog mit dem Betrachter kann Entwicklung liegen; Durchhaltevermögen; Mut zum Bösen und schwarzen Humor."
Link: www.walkyrax.de